GEORG GATSAS
Georg Gatsas
Dancers, 2009 von der Serie Signal The Future

Der Fotograf Georg Gatsas bewegt sich in seiner Arbeit zwischen zeitgenössischer Kunst, aktuellem Musikgeschehen und  Sozialanthropologie. Mit dem Medium der Fotografie stellt er genau beobachtende Untersuchungen des Jetzt an. Es sind Unternehmungen, um der Komplexität gegenwärtig sozialen Lebens umfassend gerecht zu werden, die in Porträts und fotografischen Serien zum Ausdruck kommen und sich in (kollaborativen) Ausstellungen, Publikationen und Magazinbeiträgen fortsetzen. So führen Einzel- und Gruppenausstellungen im New Yorker Swiss Institute, Kunsthaus Zürich oder im Aargauer Kunsthaus und Publikationen bei den Verlagen Nieves, Echtzeit und cpress oft auch zu Magazinbeiträgen für das Zeit Magazin, Wire und Dazed & Confused oder zu Kollaborationen mit renommierten Musiklabels wie Mute, Hyperdub oder PAN. Neben seiner freien Arbeit als Fotograf schreibt er Artikel für Magazine und Zeitungen wie die WoZ oder das Saiten.

Gatsas Serie «Signal The Future» begann 2008 in London und wird dieses Jahr abgeschlossen. Mit diesem Projekt untersucht er eine neue Generation von Musikschaffenden und ihren Bass-Sounds, der vor rund zehn Jahren auf den Strassen und Underground-Clubs Südlondons entstanden ist. Die Serie zeigt Musiker, die zwischen zwanzig und dreissig Jahre alt sind, häufig Nachkommen von MigrantInnen aus Afrika, der Karibik, aus Asien oder Europa.

Welche Bedeutung hat das Konzept von UTOPIA im Rahmen deiner Praxis, Methoden und Strategien?

Georg Gatsas
Shy One, 2014 von der Serie Signal The Future

Meine Arbeiten sind Behauptungen aus der Gegenwart heraus, die teilweise auch in die Zukunft blicken – beispielsweise meine langjährige Londoner Serie «Signal The Future». Heutzutage bestehen Utopien ja oft da darin, dass sie von einer künftigen Welt berichten, die nicht den aktuellen Normen entspricht. Deshalb versuche ich immer wieder Gesellschaftsformen abzubilden, die das Gewohnte aushebeln und andere Möglichkeiten des Zusammenlebens zeigen: Migration lese ich beispielsweise als positive Kraft der sozialen Veränderung, als postmigrantischen und queeren Lebensentwurf ohne Norm, mit jedoch gegenseitiger Wertschätzung. Und andererseits dekonstruierte ich zusammen mit dem Journalisten Kaspar Surber in der Publikation «An Europas Grenze – Fluchten, Fallen, Frontex» den ökonomisierten Verwaltungsapparat der europäischen Migrationspolitik. 

Utopia kann als mentale Konstruktion eines idealen Systems oder als Modell der Zivilgesellschaft verstanden werden. Wie siehst Du die Rolle der kreativen Praxis in dieser Hinsicht? Oder anders gefragt: Kann Design Gesellschaft verändern?

Wir leben in einer Gegenwart, in der Fremdenfeindlichkeit und Rassismus offen ausgelebt und die Unwillkommenskultur gepflegt wird. Fundamentalismus prägt sich auf alle Seiten radikal aus. Die Überzeugung, dass alles markttauglich und zu kapitalisieren sei, nimmt auch nicht ab. Deshalb ist die kreative Praxis – wenn wir sie ernst nehmen – die fundamentale Aushebung des Normativen. Sie soll Unbekanntes statt Konstanten aufweisen. Kunst, Design, Musik und Architektur sollen nicht nur rein analytisch und/oder gesellschaftskritisch sein, sondern verkrustete Hör- und Sehgewohnheiten und alte Denksysteme aufbrechen. 

Georg Gatsas
Flowdan, 2014 von der Serie Signal The Future

Was inspiriert dich? Gibt es Manifeste, Publikationen oder Denker, die deine Arbeit oder Einstellung beeinflusst haben?

Das sind vor allem meine Mitmenschen, die ich genau zu verstehen versuche. Dazu gehören einige DenkerInnen, GrafikerInnen, SchrifstellerInnen und MusikerInnen: Kijan Malte Espahangizi (Zentrum Geschichte des Wissens der ETH und der Universität Zürich), Studio NOI, Optigram, Lizzi Bougatsos und Brian DeGraw von Gang Gang Dance, Dorothee Elmiger, den Machern vom Zweikommasieben Magazin, JournalistInnen von der WoZ und dem Saiten-Magazin – um ein paar Namen zu zu nennen. Die sonntagabendliche Radiosendung «Im Sumpf» auf FM4 und ihre Moderatoren Fritz Ostermayer und Thomas Edlinger sind für mich ebenfalls sehr wichtig.

Georg Gatsas Einzelausstellung wird von Mai 2017 bis Oktober 2017 anlässlich des Manor Kunstpreises im Kunstmuseum St.Gallen stattfinden.

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